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Filmstill aus GOING HOME. Eine alte Frau hält eine gerahmte Porträtfotografie eines Paares hoch.

Mi 18.01.
20:45

  • Regie

    Adolfas Mekas, Pola Chapelle

  • USA / 1971
    61 Min. / 16 mm / OF

  • Programm

    Memories

  • Kino

    Arsenal 1

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  • Einführung durch die Kurator*innen und Lesung; Gespräch mit Christoph Dieckmann (Historiker), Ina Navazelskis (Journalistin) und Claudia Sinnig (Literaturwissenschaftlerin)

"Heute hat unser Zug Dirschau erreicht, in der Nähe von Danzig. Wir sind den achten Tag unterwegs. Ich bin weder Soldat noch Partisan. Ich eigne mich weder körperlich noch geistig für solch ein Leben. Ich bin Dichter. Lasst die großen Länder kämpfen. Litauen ist klein. So lange es Litauen gibt, sind die großen Mächte über unsere Köpfe hinwegmarschiert. Wenn du dich nicht wehrst oder nicht aufpasst, wirst du unter den Rädern von Ost und West zu Staub zermahlen. Das Einzige, was wir, die Kleinen, tun können, ist zu überleben versuchen, irgendwie. Das ist der Grund dafür, dass wir, falls das Glück uns treu bleibt, zur Universität Wien unterwegs sind. Ich will mit diesem Kriegs nichts zu schaffen haben. Dieser Krieg ist nicht meiner."
So beginnt das Tagebuch I Had Nowhere to Go / Ich hatte keinen Ort am 19. Juli 1944 von Jonas Mekas, der mit seinem jüngeren Bruder Adolfas aus Litauen floh. Geboren 1922, erlebte Mekas in seiner Jugend, wie das Land im Baltikum zwischen die Fronten von Nationalsozialismus und Stalinismus geriert. Die Flucht und die Gefangennahme, das Leben im Arbeitslager und in verschiedenen Displaced Person Camps schilderte er in seinen Tagebüchern eindringlich. Sie sind ein einzigartiges Zeugnis der Nachkriegsjahre in Deutschland sowie der litauischen Diaspora in New York, wohin er 1949 mit seinem jüngeren Bruder Adolfas emigrierte. Dort wurde Mekas zu einem einflußreichen Netzwerker internationaler Avantgarden.

Die verlorene Heimat und Kindheit blieb Bezugspunkt in Mekas' Schaffen. Der ständige Versuche, sich an die unwiederbringlichen ersten Lebensjahre zu erinnern und zugleich die Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts vergessen zu können, drängen ihn dazu die vom Vergessen bedrohten Glücksmomente der Gegenwart festzuhalten.

In gewisser Weise sind Mekas' Filme seine Erinnerungen. Aber seine Filme sind weit mehr als ein Katalog dieser Momente. Sie sind erst lebendig mit der Erinnerung. Die dunklen Momente werden als Abwesenheit wahrgenommen. Sie zwingen uns, nach dem zu suchen, was nicht gesehen wird. Anders ausgedrückt: Die Bilder, die man sieht, zeichnen die Konturen derer nach, die man nicht sieht.

Vor dem Hintergrund des Interviewfilms ORAL HISTORY: JONAS MEKAS widmet sich die Diskussionsrunde mit Ina Navazelskis, dem Historiker Christoph Dieckmann und der Literaturwissenschaftlerin Claudia Sinnig der Frage, was Zeitzeugenschaft bei einem Autor heißt, der das autobiografische Schreiben und Filmen zu seiner künstlerischen Ausdrucksform entwickelt hat.

Einen anderen Versuch des Erinnerns an die verlorene Vergangenheit, Kindheit und Heimat unternimmt Aolfas Mekas mit seinem Film GOING HOME (Adolfas Mekas, Pola Chapelle, USA 1971) – entstanden bei der gemeinsamen Reise mit Jonas Mekas nach Litauen.

GOING HOME ist eine bemerkenswerte Reflexion über das Exil und das, was Salman Rushdie als "Traum von der glorreichen Rückkehr" bezeichnet hat (Rushdie, 2000). Der Film, der die Rückkehr von Jonas und Adolfas Mekas nach Litauen markiert, nachdem sie 27 Jahre lang im Exil gelebt hatten, folgt Mekas auf seiner Reise durch das litauische Hinterland seiner Kindheit, auf der Suche nach und dem Wiedersehen mit Familie und Freunden. Hier sieht man eine bewegende Verwirklichung der "Fantasie der Rückkehr", ein beherrschendes Thema in der Literatur und im Kino des Exils. Die persönlichen Erinnerungmotive werden in GOING HOME durch die Voice-over-Erzählung, die Mekas' Tagebüchern aus seiner Kindheit entnommen wurden, miteinander verbunden.

Programm:
Einführung: Christoph Gnädig, Christian Hiller, Anne König
Lesung: Heike Geißler und Goda Palekaitė, aus den Tagebüchern von Jonas und Adolfas Mekas
Gespräch „I’m trying to remember“ mit Christoph Dieckmann (Historiker), Ina Navazelskis (Journalistin) und Claudia Sinnig (Literaturwissenschaftlerin)
Im Anschluss: GOING HOME (Adolfas Mekas, Pola Chapelle, USA 1971, 61 Minuten, engl. OF)

Gefördert durch:

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